„Geh mal Bier holn“, oder: „Bei mir bist Du schön!“

„Geh mal Bier holn,
du bist schon wieder hässlich.
Ein, zwei Bier –
und du wirst wieder schön.
Geh mal Bier holen,
denn ich mein:
dass du hässlich bist,
das muss ja nicht sein.“


Gottesdienst am Schmuckerfest 2018 – ich musste einfach über diesen Ballermann-Schlager von Mickie Krause predigen! Auf den ersten Blick ist dieses Lied einfach nur frech, unverschämt, chauvinistisch und völlig daneben! Aber auf den zweiten Blick merke ich, dass mir die Botschaft dieses Liedes im Alltag oft begegnet: „Du bist schlecht, falsch, fehlerhaft… („du bist hässlich“) und schuld daran, dass es mir schlecht geht („ich muss dich ertragen – dieser Anblick – und außerdem komme ich zu kurz mit meinen berechtigten Bedürfnissen – habe Durst“). Ändere was, tu was, damit es mir besser geht („geh mal Bier holn“).


Sie haben das bestimmt schon x-mal erlebt, dass Sie jemand angeraunzt hat, ohne dass Sie wussten, weshalb.

Ich habe inzwischen gelernt:
Menschen, die übellaunig sind, die beleidigen, die nur am Motzen und Kritisieren sind, haben in erster Linie ein Problem mit sich selbst. Sie sind unglücklich, unzufrieden mit sich selbst.
Wir wissen das eigentlich alle. Doch wie schwer ist es, dieses Wissen zu verinnerlichen!? Kennen Sie den Reflex, alles sofort auf sich zu beziehen? Wenn Sie jemand nicht grüßt oder mürrisch guckt?! Wenn Ihnen jemand widerspricht oder Streit mit Ihnen sucht!? Wenn Sie jemand keines Blickes würdigt oder Sie – ganz im Gegenteil – blöd anstarrt?! Gehen dann nicht sofort unsere (inneren) Augen an uns herunter und suchen den Fehler!?
Lassen Sie uns damit aufhören! Was schön ist, liegt im Auge des Betrachters. Was kümmern wir uns laufend darum, was in anderer Leute Augen ist!?

Lassen Sie sich niemals und von niemanden einreden, Sie seien hässlich! Und für hässlich können sie auch andere Begriffe einsetzen: „wertlos“, „unnütz“, „dämlich“, „unbegabt“…
Das alles sind Sie nicht! Es liegt nämlich, wie man so schön sagt, „im Auge des Betrachters“. Und da soll es auch bleiben. Wenn jemand Sie hässlich findet, dann soll dieser Mensch gefälligst bleiben, wo der Pfeffer wächst, und nicht Sie! Denn nicht Sie haben das Problem, sondern er oder sie! Das ist ganz wichtig!!! Es gibt kein allgemeingültiges Naturgesetz zu hässlich und schön!

Außer, dass der Schöpfergott alles geschaffen hat – den Menschen sogar zu seinem Ebenbild – und hinterher das Urteil fällt: „Siehe, es war sehr gut!“ – Hallo?! 
„Bei mir bist du schön“ ist auch ein bekannter Liedtitel. Und gleichzeitig eine wunderbare Zusammenfassung von dem, was Gott über dich denkt: Bei mir bist du schön! Und Sie können das Wort „schön“ natürlich wieder ersetzen: „wertvoll“, „liebenswert“, „großartig“, „begabt“…

Aber drehen wir den Spieß doch mal um. Denn wir sind – das muss man ehrlicherweise zugeben – nicht nur die, denen gesagt wird: „Geh mal Bier holn, du bist schon wieder hässlich!“
Sondern auch die, die das sagen. Vielleicht nicht im Wortlaut. Aber so ähnlich. Denn wir suchen die Schuld doch auch gerne bei anderen. Wenn was nicht läuft, etwas schiefgegangen ist, Missverständnisse da sind, Streit im Raum liegt: wir waren es ja nicht, oder!? Der andere soll sich verändern, dann wird es auch klappen. Dann wird es wieder gut.

Das stimmt genauso viel oder wenig wie im umgedrehten Fall. Ich muss nicht alles schön und gut finden, was andere sind oder machen. Aber ich könnte mir die Fragen stellen:

1. Geht es mich was an, betrifft es mich irgendwie?

2. Wenn ja: was kann ich an meiner Haltung ändern, um damit besser umgehen zu können?

3. Wenn das nicht geht: wie kann ich dem anderen respektvoll sagen, was mich stört, ohne seine Würde zu verletzen?

Wir können also eine Menge tun, um Situationen zu ändern. Und zwar auf beiden Seiten des Problems. Wenn Sie derjenige sind, der unzufrieden ist. Und wenn Sie derjenige sind, der die Unzufriedenheit abbekommt. 

Denn wenn mal wieder jemand zu Ihnen sagt: „Geh mal Bier holn, du bist schon wieder hässlich“, dann haben Sie doch ein bisschen Mitleid. Seien Sie nicht traurig oder wütend, denn nicht Sie haben das Problem, sonders derjenige. Und ihm (oder ihr) gehts wirklich schlecht. Er hat Durst, ist unzufrieden mit sich und der Welt, muss sich sein Dasein schön trinken um einigermaßen Freude zu empfinden, hat trübe Augen und einen negativen Blick auf die Umgebung und ist zu schwach, sich sein Getränk selbst zu holen. Seien Sie froh, dass Sie nicht in seiner Lage sind. Ich würde sagen: holen Sie ihm ein Bier und gehen Sie dann fröhlich Ihren Weg! Dann haben alle was davon!:-)

Herzlichst,
Ihr Pfarrer Carsten Stein