Fastenzeit

„Und, worauf verzichtest Du dieses Jahr?“

… wurde ich die vergangenen Wochen hin und wieder gefragt. Wenn ich dann geantwortet habe: „Auf nichts“, erntete ich manchmal verwunderte Blicke. Und vielleicht fielen dann auch Sätze wie: „Aber auf irgendetwas muss man doch verzichten. Es ist doch Fastenzeit. Und gerade Du als Pfarrer…“

Tja, das sind dann die Momente, in denen ich besonders froh bin, evangelisch zu sein. Spätestens seit Luther wissen wir: „Man muss“ erstmal gar nichts. Jedenfalls nichts tun, um irgendwo „Punkte zu sammeln“. Weder bei den Menschen (das ist eh sinnlos), noch bei Gott (er braucht das nicht). 

Gott ist nicht bestechlich. Er will, dass es mir und allen anderen Lebewesen gut geht. Deswegen ist er uns immer wieder gnädig und fordert uns auf, uns in seinem Sinne zu verhalten. Damit es mir und den anderen Lebewesen gut geht. Gott lässt uns sagen: „Das ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: (…) Brich dem Hungrigen dein Brot.“ (Jesaja 58, 6+7)

An dieser Stelle kann Verzicht durchaus Sinn machen. Vielleicht tut es mir oder anderen gut, wenn ich mal eine Zeit lang auf das eine oder andere verzichte. Gut für die Gesundheit, für das Miteinander, für das Klima…

Fasten ist also ein Angebot, eine Chance. Und die Passionszeit vor Ostern ist eine gute Gelegenheit dazu. Eine Pflicht ist es aber nicht. Und wenn Sie der Meinung sind, in dieser Pandemie-Zeit gäbe es für Sie schon genug Verzicht, dann lassen Sie es. Verzichten Sie mal auf den Verzicht. Denn: 

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Galater 5,1)

Ihr Pfarrer Carsten Stein