Frohe Weihnachten?!

Anfang Dezember 2021. Es regnet und es ist kalt. Menschen sind nicht viele unterwegs, die meisten Cafés und Restaurants haben zu. Es ist dunkel und trist. So wie in unserer Welt, in unserem Land, unserer Gesellschaft. Corona hält uns alle in Atem. Wieder steigen die Zahlen. Die Krankenhäuser füllen sich, Menschen sterben, Verantwortliche sind ratlos. Der Ton wird rauher. Wie so oft, wenn es unübersichtlich wird, werden Schuldige gesucht. Menschen feinden sich an, akzeptieren keine unterschiedlichen Meinungen. Manche wollen unbedingt herausfinden, was richtig und was falsch ist. Andere glauben das schon lange zu wissen. 

Jetzt könnte uns ein wenig Weihnachtsstimmung helfen. Aber, ach. Weihnachtsmärkte gibt es kaum. Einkaufen ist schwierig, Menschenansammlungen soll man meiden, von Unbeschwertheit keine Spur. Viele igeln sich ein – äußerlich und innerlich. Was für ein Weihnachten soll das werden? Sicher kein frohes.

Und doch wird es auch dieses Jahr Weihnachten werden. Sicher einfacher, ungeschminkter, unverstellter. Die Krippe vor unserer Rimhorner Kirche zeugt von den widrigen Umständen des ersten Weihnachten. All das, was wir an Weihnachten angeblich brauchen, gab es damals nicht. Es war ärmlich, kalt und ungemütlich. Kein bunter Markt, keine schöne Musik, kein Festessen, keine Menschenansammlungen. Aber genau da hinein bringen die Engel die frohe Botschaft: „Siehe, euch ist heute der Heiland geboren!“ Der Heiland, der, der alles heil macht, der kommt in unsere trübe und kranke Welt. Das Licht des Lebens leuchtet in die Dunkelheit. Gott hat mich und diese Welt nicht vergessen, sondern kommt selbst in die Perspektivlosigkeit, um neue Perspektiven zu schenken. Das macht er auch dieses Jahr, auch heute, auch für uns, auch für mich. 

„Das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht auslöschen können“, heißt es im Johannes-
Evangelium. Egal wie finster es ist – das Licht des
Lebens ist stärker. Deswegen wünsche ich Ihnen und mir, auch und gerade in diesem Jahr: „Frohe Weihnachten!“

Andacht: Tränen und Freude

„Warum?!“ – Diese Frage bewegt uns Menschen immer wieder. Besonders in schwierigen, existentiellen Phasen. „Warum muss mir das passieren?“ „Warum ist er so schlecht dran, warum muss sie so leiden?“ „Warum ist die Welt so ungerecht, warum fügen sich Menschen gegenseitig so viel Leid zu?“

„Warum?!“ – Dieses Wort prägt den Anfang von Johannes Brahms Meisterwerk Opus 74, Nr. 1 von 1879. Und die quälende Frage dahinter ist die Frage des Hiob, der nicht versteht, weshalb er all das Unglück, den Schmerz, den Verlust, das Leiden erdulden muss. 

„Warum?! Warum ist das Licht gegeben den Mühseligen und das Leben den betrübten Herzen? Warum?! Die des Todes warten und kommt nicht, und grüben ihn wohl aus dem Verborgenen; die sich fast freuen und sind fröhlich, dass sie das Grab bekommen. Warum?! Und dem Manne, des Weg verborgen ist, und Gott vor ihm denselben bedecket. Warum?!“ (Hiob 3, 20-23)

Wer das liest und hört, sich von der Tiefe der Worte und Klänge ergreifen lässt, kann die Tränen kaum halten. Es ist so dicht – inhaltlich und musikalisch. Weil uns Menschen einfallen, die keinen Lebenswillen mehr hatten. Weil wir uns an Situationen erinnern, in denen auch wir am Ende waren und nur noch „Warum?!“ schreien oder seufzen konnten.

Was soll ich sagen? Es wird ein gutes Ende nehmen. Das Stück von Brahms. Aber auch unser Leben. Das ist unsere Hoffnung als Christen, dass der Tod und das Leid nicht das letzte Wort haben. Geduld zahlt sich aus. „Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben. Die Geduld Hiobs habt ihr gehöret, und das Ende des Herrn habt ihr gesehen; denn der HERR ist barmherzig und ein Erbarmer.“ (Jakobus 5,11)

In dieser Botschaft stecken Trost, Kraft und Freude. Deswegen endet Brahms auch mit einem Lutherchoral: „Mit Fried und Freud ich fahr dahin, in Gottes Willen, getrost ist mir mein Herz und Sinn, sanft und stille. Wie Gott mir verheißen hat, der Tod ist mir Schlaf worden.“

Hören und sehen Sie sich dieses wunderbare Stück an – im Musikalischen Abendgottesdienst am letzten September-Wochenende aus der Lukaskirche in Karlsruhe:
https://youtu.be/7PvL7wsr9dc, zwischen 14:15 und 24:25. Und ziehen Sie daraus Trost und Kraft – auch und gerade für die schweren (Gedenk-)Tage im November.

Was bewegt mich, was gibt mir Anstoß?

Zu Pfingsten hatten wir in der Rimhorner Kirche ein großes Bodenbild liegen, das Prädikantin Ute Karl nach einer Idee von „Stufen des Lebens“ (einem Glaubenskurs der badischen Landeskirche) gestaltet hatte. Es ging dabei um das vielfältige Wirken des Geistes Gottes – jener Kraft, die sowohl tröstet als auch ermutigt, inspiriert und begeistert. 

Wir Menschen brauchen diese göttlichen Impulse immer wieder. Wenn wir traurig und verzweifelt sind, dann brauchen wir Trost und Mut. Wenn wir uns gedanklich oder emotional in einer Sackgasse befinden, dann brauchen wir neue Ideen und Perspektiven. Wenn wir vor schwierigen Aufgaben stehen, dann brauchen wir Kraft und Durchhaltevermögen. Das alles kann uns Gottes Geist schenken. So, wie er es schon zu allen Zeiten und überall auf der Welt getan hat. 

Die Frage ist dabei: lassen wir uns bewegen, anstoßen? Sind wir bereit, uns einen „Schubs“ geben zu lassen, damit etwas in Bewegung kommt? Sehr eindrücklich haben Ute Karl und zwei unserer Konfirmanden im Online-Gottesdienst für Pfingsten anhand der Instalation aufgezeigt, welche Veränderungen Gottes Geist im menschlichen Dasein auslösen kann. Vieles in dieser Welt mag uns Impulse oder Anstöße geben. Doch im Gegensatz zu anderen Kräften dieser Welt, die dabei letztlich nur Tod und Verderben mit sich bringen, ist Gottes Geist eine Kraft, die Gutes bewirkt und Leben schafft. 

Deswegen erinnern wir uns an Pfingsten auch immer wieder an Gottes Hinweis im Alten Testament: „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der HERR Zebaoth.“ (Sacharja 4,6b)

Ich wünsche Ihnen jeden Tag neu den „Atem des Lebens“; dass Gott Sie anhaucht mit Kraft und Mut, Geduld und Besonnenheit, Trost und Liebe!

Empörend!

Wir haben eine „Empörungskultur“, so habe ich vor Kurzem gelesen. Und ja, das stimmt. Menschen regen sich auf. Über andere Menschen. Natürlich besonders über „die da oben“, über die Verantwortlichen, Politiker, Entscheider. Gerne aber auch über „die Anderen“, die Nachbarn, die Ausländer, die Jungen, die Alten… Ganz offensichtlich liegen die Nerven blank. Irgendwo verständlich, weil viele Menschen unter den Corona-Einschränkungen leiden und sich um ihre Zukunft sorgen. Aber warum führen Krisensituationen wie die jetzige immer sofort zu Schuldzuweisungen? Warum muss immer „ein Schuldiger“ gesucht und gefunden werden? Warum können wir so schwer Dinge aushalten, ohne alles erklären zu können? Es muss an unserer Einstellung liegen. Scheinbar gehen wir davon aus, die Welt wäre perfekt und gut. Und wenn es irgendwo hakt, dann muss das irgendein böser Mensch – oder mehrere davon – (mutwillig) verursacht haben. 

Dabei können wir für eine Pandemie genauso gut oder schlecht einen Schuldigen ausmachen wie für einen Vulkanausbruch oder ein Unwetter. Weiterlesen

Unterm Regenbogen

Zweimal der Regenborgen an unseren Kirchen: das Rimhorner Foto (oben) entstand am 31. August, das Lützelbacher einen Tag später (1. September). Wunderschön, da geht einem das Herz auf! Ich behaupte, es gibt wenige Menschen auf dieser Welt, die einen Regenbogen für ein schlechtes Zeichen halten würden. Ganz im Gegenteil: wir Menschen freuen uns über die Farben, die Sonne und die damit verbundene Gewissheit, dass es nach dem Dunkel immer wieder hell wird. 

Schon vor vielen tausend Jahren haben Menschen den Regenbogen positiv gedeutet. Im Alten Testament ist er explizit benannt als Garant für Gottes Verbindung mit uns. Im 1. Buch Mose wird Gott so zitiert: „Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde.“ (1. Mose 9,13) 

Gott verspricht, dass er die Erde und alles was darauf kreucht und fleucht nicht im Stich lässt. Er kümmert sich persönlich um unsere Welt. Der Regenbogen ist das Siegel, die Unterschrift unter diesem Vertrag. Und, so ist es später formuliert, er lässt sich selbst immer wieder durch den Regenbogen an seine Zusage erinnern: „Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigem Getier unter allem Fleisch, das auf Erden ist.“ (Vers 16)

Offensichtlich freuen sich also nicht nur wir Menschen, wenn wir den Regenbogen sehen; Gott tut das auch. Ihm und uns soll es das kraftvolle Zeichen sein, das von Hoffnung und Zukunft erzählt.

Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir noch ganz oft einen Regenbogen sehen. Und dass wir uns durch den Bogen an Gottes bleibende Fürsorge uns und dieser Welt gegenüber erinnern lassen – gerade in den dunklen Zeiten, den Krisen, den Unsicherheiten, den Ängsten. Gottes Bund ist stärker und beständiger als jede Katastrophe, die uns heimsucht. Auch stärker als Covid 19!

Herzlichst Ihr Pfarrer Carsten Stein