Mit dem Finger auf andere zeigen…

das macht man nicht, oder?!
Johannes der Täufer schon. Jedenfalls auf der weitberühmten Darstellung des Flügelaltars, der im Museum Unterlinden im elsässischen Colmar zu bewundern ist. Atemberaubend, dieses Kunstwerk „live und in Farbe“ zu bewundern – das lohnt sich! Unter dem Kreuz steht Johannes der Täufer mit einer Bibel in der Hand und zeigt auf den, der am Kreuz hängt: Jesus. Eine gebundene Bibel gab es zur Zeit der Kreuzigung Jesu nicht. Auch Johannes gab es da nicht mehr; er war schon Jahre vorher hingerichtet worden. Und als er noch lebte, hatte er sicher nicht so einen überlangen Zeigefinger. Das alles wusste Matthias Grünewald, in dessen Werkstatt dieses unglaubliche Kunstwerk zwischen 1512 und 1516 entstanden ist. Doch es ging ihm um die Ausdruckskraft dieser Symbolik. Alles soll den Blick darauf lenken, dass Jesus am Kreuz leidet und stirbt. Wir Betrachter sollen daran denken, dass Jesus unse Schuld und Sünde, unser Leiden und Sterben quasi stellvertretend mit ans Kreuz nimmt, um uns davon zu befreien. Und wir sollen verstehen, dass Gott unsere Krankheiten und Schmerzen, unsere Sorgen und Nöte kennt und versteht – denn in seinem Sohn Jesus Christus hat Gott das alles selbst durchlebt.

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„Geh mal Bier holn“, oder: „Bei mir bist Du schön!“

„Geh mal Bier holn,
du bist schon wieder hässlich.
Ein, zwei Bier –
und du wirst wieder schön.
Geh mal Bier holen,
denn ich mein:
dass du hässlich bist,
das muss ja nicht sein.“


Gottesdienst am Schmuckerfest 2018 – ich musste einfach über diesen Ballermann-Schlager von Mickie Krause predigen! Auf den ersten Blick ist dieses Lied einfach nur frech, unverschämt, chauvinistisch und völlig daneben! Aber auf den zweiten Blick merke ich, dass mir die Botschaft dieses Liedes im Alltag oft begegnet: „Du bist schlecht, falsch, fehlerhaft… („du bist hässlich“) und schuld daran, dass es mir schlecht geht („ich muss dich ertragen – dieser Anblick – und außerdem komme ich zu kurz mit meinen berechtigten Bedürfnissen – habe Durst“). Ändere was, tu was, damit es mir besser geht („geh mal Bier holn“).


Sie haben das bestimmt schon x-mal erlebt, dass Sie jemand angeraunzt hat, ohne dass Sie wussten, weshalb.

Ich habe inzwischen gelernt:
Menschen, die übellaunig sind, die beleidigen, die nur am Motzen und Kritisieren sind, haben in erster Linie ein Problem mit sich selbst. Sie sind unglücklich, unzufrieden mit sich selbst.
Wir wissen das eigentlich alle. Doch wie schwer ist es, dieses Wissen zu verinnerlichen!? Kennen Sie den Reflex, alles sofort auf sich zu beziehen? Wenn Sie jemand nicht grüßt oder mürrisch guckt?! Wenn Ihnen jemand widerspricht oder Streit mit Ihnen sucht!? Wenn Sie jemand keines Blickes würdigt oder Sie – ganz im Gegenteil – blöd anstarrt?! Gehen dann nicht sofort unsere (inneren) Augen an uns herunter und suchen den Fehler!?
Lassen Sie uns damit aufhören! Was schön ist, liegt im Auge des Betrachters. Was kümmern wir uns laufend darum, was in anderer Leute Augen ist!?

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„…und ihr habt mich besucht.“

Wenn Jesus aufzählt, was wir anderen Menschen Gutes tun sollen, dann erwähnt er neben der Versorgung mit Essen, Trinken und Kleidung auch das Besuchen. Wenn wir Menschen besuchen, die in Not sind, Hilfe brauchen oder einsam sind, dann ist es so, als ob wir Jesus selbst besuchen: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40) Menschen zu besuchen gehört also zu den wichtigsten und wertvollsten Aufgaben in der christlichen Gemeinde. Und nebenbei passiert dabei etwas, was Menschen, die für andere da sind, immer wieder merken: dass sie selbst beschenkt werden!

Deswegen ist es großartig, dass wir in Rimhorn und Lützel-Wiebelsbach einen Kreis von Menschen haben, die regelmäßig vor Ostern und vor Weihnachten ältere Menschen in unseren Orten besuchen. Doch der Bedarf ist groß und manche Mitarbeiterinnen sind inzwischen selbst in einem Alter, in dem sie sich solch einen Besuch wünschen würden… Uschi Peuker aus Rimhorn hat beispielsweise deswegen jetzt nach vier Jahrzehnten Besuchsdienst entschieden, diese Aufgabe nicht fortzuführen. Beim Gemeindefest haben wir sie offiziell und dankbar aus dieser wertvollen Arbeit verabschiedet.  Weiterlesen

bei mir

„bei mir“ – so lautet das Motto des diesjährigen „Ökumenischen Jugendkreuzwegs“, den wir am 27. März in Lützel-Wiebelsbach (Katholische Kirche) und am 28. März in Rimhorn (Evangelische Kirche) als Passionsandachten begehen (jeweils um 17 Uhr).

Die Botschaft dahinter ist, dass der menschgewordene Gott gerade durch sein Leiden und Sterben zeigt, dass er uns zur Seite steht. Normalerweise kann man in dieser Welt immer erleben, dass Menschen in Not, Armut, Verzweiflung und Krankheit allein gelassen werden. Andere gehen auf Distanz, entfernen sich, ergreifen die Flucht. Wer in Not ist, merkt, dass kaum jemand „die Stellung“ hält. Das hat Jesus übrigens auch erlebt. Seine Jünger sind nicht da, wenn sie gebraucht werden. Oder sie schlafen, wenn sie wach sein sollen. Oder sie verstehen nichts von dem, was Jesus umtreibt. Ja, es kommt noch besser: der eine (Judas) verrät ihn, ein anderer (Petrus) verleugnet ihn. Da hätte Jesus auch „die Sachen packen“ und sagen können: „das mache ich nicht mit“. Doch es war sein Auftrag und der göttliche Plan. Und dem hat er sich ergeben. Damit wiederum hat er Menschen in Angst und Not gezeigt: „Ich bleibe bei Euch. Auch wenn es richtig mies und dreckig wird: ich lasse Euch nicht allein! Ich bin mir nicht zu schade, den untersten Weg zu gehen.“ Von der Geburt im dreckigen Stall bis hin zum grausamen Tod am Kreuz wird deutlich: der menschgewordene Gott leidet mit. Das ist unglaublich tröstlich. Aber, dabei bleibt es nicht. Am Ende steht das Leben. Ostern. Auferstehung.
In diesen Tagen werden wir uns wieder trösten lassen und freuen können, dass im Sterben und im Leben Jesus „bei mir“ ist.
Herzlichst Ihr
Pfarrer Carsten Stein

Fest verankert

Letzter Tag auf der „Monica“, meinem Fortbewegungsmittel und Lebensraum für zwei Wochen. Ich bin alleine an Bord, denn die anderen haben schon die Heimreise angetreten. Das Boot liegt im Hafenbereich von Palmeira auf der Insel Sal. Allerdings nicht ordentlich mit Leinen an Steg oder Hafenmauer festgemacht, sondern lediglich fixiert mit dem Anker. Einem gebogenen Eisen, dass sich (ho entlich) gut in den Sandboden und zwischen das Felsengestein am Meeresgrund verkantet hat. Man kann da Zweifel bekommen, denn Wind und Wellen sind stark und das o ene Meer be- ginnt nicht weit hinter mir. An der Ankerleine beschreibt das Boot immer wieder einen großen Halbkreis und tanzt mit den anderen Booten um die Wette – manchmal kom- men sie sich dabei auch ziemlich nahe. Oben sitzen und schauen ist kein Problem. Aber um unter Deck zu gehen und sich sogar zum Schlafen hinzulegen, dafür braucht es Vertrauen. Vertrauen darauf, dass dieser Anker hält!

Er hat gehalten – immer wieder. So wie ein anderer Anker, von dem in einem wunderschönen Lied die Rede ist:

„Er ist das Zentrum der Geschichte, er ist der Anker in der Zeit. Er ist der Ursprung allen Lebens und unser Ziel in Ewigkeit.“

(Albert Frey, eg+ 93)

Jesus ist der Anker in der Zeit. An ihm festgemacht kann ich mich sicher und geborgen fühlen, selbst wenn Wind und Wellen meinem Lebens- boot schwer zu scha en machen. ER hält mich und Sie!

Herzlichst,

Ihr Pfarrer Carsten Stein

Was tun gegen den Durst?

„Ich habe Durst, ich hab noch Träume,
will nicht so schnell zufrieden sein.
Ich habe Durst, wo ist die Quelle
für echtes Leben, gegen den Schein.“
(aus einem Lied von Günter Mahler und Dieter Falk)

Tja, wo ist die Quelle? Wo kann ich meinen Durst nach Leben stillen? Wo bekomme ich das, was mich ausgeglichen, zu- frieden, glücklich sein lässt? Letztlich stellen wir Menschen uns alle diese Fragen, ein Leben lang. Denn letztlich suchen wir alle nach dem, was unserem Leben Sinn gibt, wofür es sich lohnt, zu leben. Manche geben sich mit schnellen Antworten zufrieden, übernehmen einfach die Quellen, die ihnen andere gezeigt haben: die Eltern, die Freunde, die Nachbarn. Andere wiederum lassen das Althergebrachte bewusst hinter sich und gehen bei ihrer Quellensuche neue Wege. Und stoßen dabei nicht selten auf Quellen, die gut schmecken, aber noch mehr Durst nach sich ziehen: Drogen, Geld, Macht… Gibt es sie denn überhaupt? Die Quelle, die den Lebens-Durst nachhaltig löscht und dabei keine Abhängigkeiten mit sich bringt? Gott bietet uns solch eine Quelle an. In Jesus Christus ist er selbst zu dieser Quelle geworden. Darauf gründet sich unser christlicher Glaube.

Trägt diese Botschaft noch, auch im neuen Jahr 2018? Kann ich noch heute im Evangelium, der guten Nachricht von Je- sus Christus, Glück, Zufriedenheit, Fülle des Lebens nden? Lassen Sie uns das gemeinsam entdecken. Immer wieder neu, immer wieder anders.

Ich wünsche Ihnen ein zufriedenes, glückliches Weihnachtsfest und ein vor Segen überquellendes neues Jahr 2018.

Ihr Pfarrer Carsten Stein

Luther vorne und hinten – und nun?

Das Jubiläumsjahr ist fast zu Ende: 500 Jahre Thesenan- schlag in Wittenberg, 500 Jahre Reformation, 500 Jahre Luther. – Martin Luther! Ob ihm der ganze Rummel gefallen hätte? Der um seine Person sicher nicht. Denn es ging ihm ja nicht um sich selbst, sondern um Gottes Liebe, die allen Menschen „allein durch die Gnade“, „allein durch den Glau- ben“, „allein durch Christus“ und „allein durch die Heilige Schrift“ zuteil wird. Es ging ihm darum, Mißstände aufzude- cken, Dinge, die falsch liefen in der damaligen Gesellschaft und in der damaligen Kirche. Und Vieles davon ist bis heute aktuell. Ironischerweise hat gerade das Reformationsjubiläum und die Verehrung Luthers unfreiwillig auch die Seiten gezeigt, gegen die er selbst sich so klar wandte: Zum Bei- spiel die Fokussierung auf Äußerliches, auf den Schein, auf den Pomp und menschliche Macht. Reformationstag in Wit- tenberg habe ich vor einiger Zeit als inhaltsleeren Klamauk erlebt, der nur dazu dient, Geld zu machen. Und dass der Playmobil- Luther die meist-verkaufte Figur des Herstellers wurde, hinterlässt auch ein zwiespältiges Gefühl…

Abgesehen davon aber gab es gerade in diesem Jahr viele Ge- legenheiten, über die Errungenschaften der Reformation nachzu- denken und danach zu fragen, was davon auch für unser persönliches und kirchliches Leben im Jahre 2017 noch relevant ist. Und da gibt es einiges. Wir wollen das in unseren Kirchengemeinden in verschie- denen Veranstaltungen noch einmal tun: fra- gen, wie uns Luthers

Erkenntnisse heute noch weiterbringen. Lassen Sie uns am Ende des Jubeljahres die Erkenntnisse der Reformation noch einmal würdigend feiern.

Und uns mit Luther freuen über Römer 3, 23+24:

„Sie sind allesamt Sünder
und ermangeln des Ruhmes,
den sie vor Gott haben sollen,
und werden ohne Verdienst gerecht
aus seiner Gnade durch die Erlösung,
die durch Christus Jesus geschehen ist.“

Ein schönes Reformationsfest wünscht

Ihr Pfarrer Carsten Stein